Der Fachverband Forum DistancE-Learning hat die neue Fernunterrichtsstatistik 2011 veröffentlicht und gewährt damit interessante Einblicke in die deutsche Fernstudien-Landschaft. Die Fernunterrichtsstatistik wird bereits seit 2009 jährlich erhoben und hat die freiwillige Befragung der Anbieter von staatlich zugelassenen Fernlehrgängen durch das Statistische Bundesamt (bis 2006), sowie das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung (DIE) abgelöst.
Für die aktuelle Fernunterrichtsstatistik 2011 wurden insgesamt 120 Anbieter befragt, die schätzungsweise 74 Prozent der Fernunterrichts-Teilnehmer in Deutschland betreuen. Die Anbieter-Daten der verbleibenden 26 Prozent werden zugunsten einer besseren Vergleichbarkeit der Teilnehmerzahlen zu den Vorjahren geschätzt. Diese Vorgehensweise war jedoch auch bereits bei der bisher Erhebung durch das Statistische Bundesamt üblich.
Die Erhebung zur Fernunterrichtsstatistik 2011 wird neben der Anbieter-Befragung zusätzlich durch Daten des Statistischen Bundesamtes ergänzt. So werden Statistiken aus dem Wintersemester 2011/12 zu Studierenden an staatlich anerkannten Fernhochschulen sowie eingeschriebenen Fernstudierenden an Präsenzhochschulen herangezogen.
Herausgekommen sind aufschlussreiche Ergebnisse des Fachverbands Forum DistancE-Learning, die nun in der Fernunterrichtsstatistik 2011 veröffentlicht wurden.
Teilnehmerzahlen am Fernunterricht sinken leicht
Im vergangenen Jahr nutzten über 382.000 Teilnehmer ein DistancE-Learning-Angebot, also Fernunterricht in Form von Fernlehrgängen oder ein akademisches Fernstudium. Damit gingen die Teilnehmerzahlen im Vergleich zum Vorjahr 2010 erstmals um insgesamt knapp 1,5 Prozent zurück, nachdem sie bis dato seit 2003 kontinuierlich Jahr für Jahr angestiegen sind.
Interessant wird es, wenn man sich die genauere Aufteilung der Teilnehmerzahlen ansieht. Den größten Anteil mit 63 Prozent machen nach wie vor die Teilnehmer in staatlich zugelassenen Fernlehrgängen aus. Dabei handelt es sich um Angebote, die durch die staatliche Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU) geprüft und zugelassen sind. Bekannte Anbieter von Fernlehrgängen sind z.B. das Institut für Lernsysteme (ILS), die Studiengemeinschaft Darmstadt (SGD) oder die Fernakademie für Erwachsenenbildung.
Obwohl diese Fernunterrichts-Sparte mit 244.817 Teilnehmern den Löwenanteil besetzt, ist mit Rückblick auf die vergangenen Jahre seit 2007 dennoch ein Sinkflug zu beobachten. Dieser fällt bei den zulassungsfreien Fernlehrgängen im Rahmen einer innerbetrieblichen Fortbildung noch gravierender aus. Mit nur noch 4.257 Teilnehmern machte dieses Segment 2011 lediglich noch ein Prozent der Gesamtteilnehmerzahlen aus. Im Jahr davor waren es noch über 18.000, was einem Teilnehmer-Crash von 76 Prozent gleichkommt.
Anders sieht es hingegen bei der Zahl der Fernstudenten in Deutschland aus. Diese nimmt nämlich weiter zu und in der Tat erfreut sich das akademische Fernstudium mit den Abschlüssen Bachelor und Master noch nie dagewesener Beliebtheit. Im Jahr 2011 belegten fast 133.000 Personen einen akademischen Fernstudiengang an einer Fern- oder Präsenzhochschule. Davon studierten 30 Prozent an einer Fernhochschule und 5 Prozent an einer Präsenzhochschule mit Fernstudienangeboten.
Mit 114.966 Teilnehmern erlebten die Fernstudiengänge an Fernhochschulen einen regerechten Boom, denn noch nie haben sich so viele Menschen an einer deutschen Fernhochschule eingeschrieben. Im Vergleich zum Vorjahr war ein Teilnehmerzuwachs von fast 13 Prozent zu verzeichnen. Und wie sieht es an den Präsenzhochschulen aus? Auch wenn die Anzahl der Teilnehmer in Fernstudiengängen an Präsenzhochschulen mit fünf Prozent vergleichsweise niedrig erscheint, hat die im Jahr 2011 ihren bisherigen Höhepunkt erreicht. Insgesamt waren 17.994 Fernstudenten an Präsenzhochschulen immatrikuliert – so viele, wie nie zuvor.
Blickt man auf die vergangenen fünf Jahre zurück, boomt das akademische Fernstudium derzeit. Im Vergleich zu 2007 ist die Zahl der Fernstudierenden in Deutschland um satte 77 Prozent gestiegen.
Angebote & Anbieter
Doch nicht nur die Anzahl der Fernstudenten, auch die Anzahl der staatlich zugelassenen Fernstudiengänge ist im Jahr 2011 gestiegen. Betrug sie 2010 noch 328 Fernstudiengänge, waren es im vergangenen Jahr bereits 446 akademische Fernstudien-Angebote, davon 16 Diplom-, 177 Bachelor- und 253 Master-Studiengänge.
Während die Anzahl staatlich anerkannter Fernhochschulen mit insgesamt 16 gleich geblieben ist, hat sich die Anzahl Präsenzhochschulen mit Fernstudienangeboten von 86 auf 80 verringert. Dennoch stellen die insgesamt 446 staatlich zugelassenen Fernstudiengänge ein Plus von 36 Prozent im Vergleich zum Vorjahr dar und bilden die starke Nachfrage nach akademischen Fernstudien-Angeboten ab.
Verbandspräsident Dr. Martin Kurz erklärt sich das seit Jahren anhaltende Wachstum wie folgt:
„Die Fernhochschulen entwickeln kontinuierlich neue spezialisierte Studiengänge, die eng mit der Berufspraxis verzahnt sind. Das macht das Fernstudium attraktiv für zahlreiche Arbeitnehmer, die durch eine nebenberufliche Weiterqualifizierung ihren Wert im Unternehmen oder auf dem Arbeitsmarkt steigern möchten.“
Auch unterhalb der Hochschulebene ist ein Anstieg der Fernunterrichts-Angebote zu beobachten. Anzahl staatlich zugelassener Fernlehrgange (ZFU) ist von 2.527 im Jahr 2010 auf 2.643 im Jahr 2011 gestiegen. Insgesamt waren im vergangenen Jahr 345 Fernlehrinstitute am Markt vertreten – 12 Anbieter mehr, als im Jahr davor.
Insgesamt verzeichneten diese Anbieter fast 245.000 Teilnehmer in staatlich zugelassenen Fernlehrgängen (ZFU). Auf einen Anbieter kamen demnach durchschnittlich 710 Teilnehmer.
Beliebteste Fernuniversitäten und Fernhochschulen 2011
Die Fernuniversität Hagen war mit insgesamt 71.218 Studierenden die mit Abstand beliebteste Fernuni in Deutschland. Gleichzeitig ist die Fernuni Hagen damit deutschlandweit auch die größte Universität. Mit insgesamt 25 Bachelor- und Masterstudiengängen bildet die Fernuni zudem auch das größte Angebot ab.
Die hohe Beliebtheit der Fernuni mag jedoch wenig überraschen, schließlich sind die Fernstudienangebote an Deutschlands einziger staatlicher Fernuniversität wesentlich günstiger, als an privaten Fernhochschulen. Bei diesen führt die Hamburger Fern-Hochschule (HFH) die Riege mit 9.212 Studierenden an, gefolgt von der Wilhelm Büchner Hochschule in Darmstadt und der Europäischen Fernhochschule in Hamburg.
Insgesamt verzeichneten Fernuniversitäten und Fernfachhochschulen 114.966 Fernstudenten, die sich wie folgt auf die Fernhochschulen verteilen:
Fernhochschule | Anzahl Studiengänge 2011 | Anzahl Studierende 2011 |
Fernuniversität Hagen | 25 | 71.218 |
Hamburger Fern-Hochschule | 9 | 9.212 |
Wilhelm Büchner Hochschule Darmstadt | 17 | 5.894 |
Steinbeis-Hochschule Berlin | 18 | 5.355 |
Europäische Fernhochschule Hamburg | 7 | 5.127 |
Diploma Hochschule in Nordhessen | 11 | 4.923 |
Deutsche Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement in Saarbrücken | 7 | 3.027 |
AKAD Fachhochschule Stuttgart | 19 | 2.276 |
AKAD Fachhochschule Pinneberg | 23 | 1.956 |
SRH Fernfachhochschule Riedlingen | 11 | 1.656 |
AKAD Fachhochschule Leipzig | 17 | 1.474 |
Apollon Hochschule der Gesundheitswirtschaft in Bremen | 8 | 1.092 |
Hochschule der Sparkassen-Finanzgruppe in Bonn | 3 | 985 |
Wissenschaftliche Hochschule Lahr | 22 | 458 |
CVJM-Hochschule in Kassel | 4 | 196 |
Deutsche Universität für Weiterbildung in Berlin | 7 | 117 |
Gesamt | 208 | 114.966 |
Neben den 16 genannten Fernhochschulen gab es 2011 auch 80 Präsenzhochschulen mit Fernstudienangeboten. Zwar war das Angebot mit 238 Studiengängen höher, als an Fernhochschulen, allerdings haben sich im vergangenen Jahr „nur“ 17.994 Studierende an Präsenzhochschulen für einen Fernstudiengang eingeschrieben, was immer noch eine Steigung um 7,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr bedeutet.
Beliebteste Fernlehrgänge nach Themenbereich und Abschlüssen
Mit 49.547 Teilnehmern und einem Anteil von 27 Prozent war der Themenbereich Wirtschaft im Jahr 2011 der beliebteste. Platz zwei belegen mit 17 Prozent Lehrgänge zu Freizeit- und Gesundheitsthemen. Auf Platz drei rangieren mit 16 Prozent schulische Lehrgänge (z.B. Hauptschulabschluss, Realschulabschluss, Abitur).
Verglichen mit dem Vorjahr sind bezüglich der Beliebtheit der Fernlehrgänge nach Themenbereich kaum Veränderungen, bzw. Verschiebungen festzustellen. Erwähnenswert bleibt, dass der Bereich „Freizeit, Gesundheit, Haushaltsführung“ um drei Prozent zugelegt hat, während die Teilnehmerzahlen beim Thema Sprachen um ein Drittel zurückgingen.
Die Teilnehmerzahl der im Fernunterricht nach wie vor wenig nachgefragten Geisteswissenschaften hat sich im Vergleich zu 2010 sogar halbiert und ging von vier auf jetzt nur noch zwei Prozent zurück. Die geringste Teilnehmerzahl bei den Fernlehrgängen verzeichnete das Themengebiet der Sozialwissenschaften mit nur einem Prozent.
Stellt man den Themenbereichen die entsprechenden Fernunterrichtsangebote gegenüber, so wurden 2011 ein Prozent mehr Fernlehrgänge aus dem Bereich Wirtschaft angeboten, als noch 2010. Trotz steigender Beliebtheit ging das Angebot bei den Freizeit- und Gesundheitsthemen gleichzeitig um einen Prozentpunkt zurück.
Auch bei den EDV-Lehrgängen war das Angebot 2011 ein Prozent niedriger als im Vorjahr. Fernlehrgänge aus den Bereichen Mathematik, Naturwissenschaften und Technik hingegen legten um einen Prozentpunkt zu.
Betrachtete man die Fernlehrgänge nach Abschlussart, so wurden am häufigsten Kurse mit Abschluss-Zertifikat des jeweiligen Anbieters belegt (47 Prozent), gefolgt von Kursen ohne spezifische Abschlussprüfung. Lediglich 20 Prozent der Fernlerner belegte Lehrgänge, die auf öffentlich-rechtliche oder staatliche Prüfungen vorbereiten, wie zum Beispiel bei der IHK.
Teilnehmer in Fernlehrgängen nach Alter und Geschlecht
Die Lernmethode Fernstudium – ob akademisch oder nicht-akademisch – punktet vor allem durch die zeitliche und örtliche Flexibilität. Aufgrund der kürzeren Lehrgangsdauer sind nicht-akademisch Fernlehrgänge eine besonders beliebte Form der Weiterbildung.
Während ein klassisches Präsenzstudium an einer Universität i.d.R. direkt nach dem Abitur, bzw. unter 30 Jahren absolviert wird, bietet DistancE-Learning Menschen jeden Alters und natürlich auch Geschlechts die Möglichkeit, sich beruflich und persönlich weiterzubilden.
Viele Fernunterrichts-Interessierte haben den Nutzen einer nebenberuflichen Weiterqualifizierung entdeckt und belegen, nachdem bereits die Weichen für die Karriere gestellt haben, einen Fernlehrgang, um ihre Karriere zu pushen. Es wunder daher nicht, dass über die Hälfte aller Teilnehmer (52 Prozent) zwischen 26 und 40 Jahre alt ist und damit die größte Gruppe der Teilnehmer in staatlich zugelassenen Fernlehrgängen abbildet.
Der Anteil der Teilnehmer unter 26 liegt immerhin noch bei 22 Prozent. Bei dieser Gruppe werden meistens schulische Lehrgänge nachgefragt. Viele dieser Teilnehmer haben bereits einen ersten Schulabschluss oder sogar schon eine Ausbildung absolviert und möchten nun auf dem zweiten Bildungsweg ihr Abitur nachholen. Ein Fernlehrgang bereitet ebenso, wie eine Abendschule auf die Prüfung vor, bietet jedoch für Berufstätige oder zeitlich/gesundheitlich eingeschränkte Personen wesentlich mehr Flexibilität.
Doch auch Personen, die aus irgendwelchen Gründen noch keinen Schulabschluss erreicht haben, können trotz Berufstätigkeit, Familie und sonstigen Verpflichtungen einen Hauptschulabschluss, Realschulabschluss oder das Abitur nachholen.
Der Trend des lebenslangen Lernens ist auch bei den Teilnehmern über 40 zu beobachten, deren Anteil im Vergleich zu 2010 um zwei auf 26 Prozent gestiegen ist. Die Zahlen bilden die wachsende Nachfrage nach Weiterbildung, auch bei Altersgruppen, die sich meist schon in der zweiten Hälfte ihres Berufslebens befinden.
Viele sehen die Weiterbildung auch als Mittel zum Zweck, z.B. um nach der Familienzeit wieder zurück in den Job zu finden, durch den Erwerb von aktuellem Fachwissen ihren Arbeitsplatz zu sichern oder sich nochmal völlig neu auf dem Arbeitsmarkt zu orientieren.
Bei den Teilnehmern nach Geschlecht unterscheiden sich akademische Fernstudiengängen von Fernlehrgängen. So war mit fast 53 Prozent die Mehrheit der Teilnehmer im Fernunterricht weiblich. Besonders beliebt bei den Frauen war das Themagebiet Wirtschaft und kaufmännische Praxis, gefolgt von „Freizeit, Gesundheit und Haushalt“. Neben dem Thema Wirtschaft wurde von den Männern vor allem der Themenbereich „Betriebswirte, Techniker, Übersetzer“ nachgefragt.
Bei den akademischen Fernstudiengängen machen die Frauen jedoch nicht den Hauptanteil aus. Hier führen die Männer die Teilnehmerzahlen mit einem Anteil von 56 Prozent an. Allerdings steigt der Anteil der weiblichen Fernstudierenden jährlich an.
Fazit
Die Lernmethode DistancE-Learning ist längst keine Nische mehr, sondern hat sich längst als bedeutende Größe im deutschen Bildungssystem etabliert. Auch wenn die Gesamtteilnehmerzahl im Fernunterricht im Vergleich zum Vorjahr um ein Prozent gesunken ist, so ist vor allem die Nachfrage nach akademischen Fernstudiengängen so hoch wie noch nie zuvor.
Freie Zeiteinteilung, örtliche Unabhängigkeit und die Möglichkeit, neben Job, Familie, Hobbys etc. einen akademischen Bildungsabschluss zu erreichen, entspricht den hohen Anforderungen einer Gesellschaft, die dem wachsenden Druck nach Flexibilität ausgesetzt ist und gleichzeitig den Wunsch nach Selbstbestimmung und Unabhängigkeit nachjagt.
Verbandspräsident Dr. Kurz prognostiziert für die Zukunft:
„Aufgrund des stetig steigenden Bildungsbedarfs und der attraktiven Möglichkeiten, die die Neuen Medien für das Fernlernen mit sich bringen, wird die Zahl der Teilnehmer in den nächsten Jahren insbesondere auf akademischem Niveau weiter zunehmen.“
Mit dem Nachfrage-Boom dürfte auch die Anzahl der Fernstudien-Angebote noch weiter wachsen, schließlich stellen vor allem die akademischen Fernstudiengänge eine wahre Goldgrube für die Anbieter, vor allem aber für die privaten Fernuniversitäten und Fernfachhochschulen dar.
Im Jahr 2011 betrugen die Fernstudienerlöse pro Anbieter durchschnittlich 5,2 Millionen Euro, 1 Million mehr, als noch im Jahr zuvor. Obwohl fast ein Viertel mehr erwirtschaftet wurde, als 2010, sank die Anzahl der Beschäftigten von durchschnittlich 21 auf nur noch 17 Mitarbeiter pro Anbieter.
Was letztendlich wieder deutlich macht: Private Fernhochschulen sind auch nur nach möglichst hohen Gewinnen strebende Wirtschaftsunternehmen und Bildung ist nun mal ein lukratives Geschäft, welches in der freien Wirtschaft oftmals auf Kosten der Mitarbeiter geht…
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